Da sind sich alle Experten einig: Das European Train Control System (ETCS) ist das Zugbeeinflussungssystem der Zukunft.

Auch wenn eine vollständige Inbetriebnahme des Stuttgarter Hauptbahnhofs noch nicht in Sicht ist und auch andere Umbauprojekte in Deutschland vorranging durchgeführt werden, müssen die Eisenbahnverkehrsunternehmen den richtigen Zeitpunkt zur Qualifizierung des Personals für das Zugsicherungssystem ETCS planen.

 

Die Ausbildungsorganisationen stehen vor der Aufgabe, zum richtigen Zeitpunkt genügend Ressourcen bereitzustellen, um innerhalb einer kurzen Zeitspanne eine Vielzahl an Triebfahrzeugführer:innen ausbilden zu können.

Der Verband Deutscher Eisenbahnfachschulen e. V. (VDEF) setzt zunehmend auf hybride Ausbildungsformate, die konventionelle Präsenzschulungen, Praxis- und Simulationstraining, Onlineunterricht und E-Learning beinhalten.

 

Für die Ausbildung der Triebfahrzeugführer:innen für das Zugsicherungssystem ETCS plant der VDEF, die konventionelle Schulung mit einem vorgeschalteten webbasierten Training zu verbinden.

 

Wir haben mit dem Expertengremium des VDEF über die Vorteile dieser neuen Ausbildungsform gesprochen.

 

Red.: Was hat Sie zu einer Umstellung der Ausbildungsform bewegt?

 

VDEF: Selbstverständlich nutzen auch wir zunehmend digitale Möglichkeiten für den Unterricht. In der Pandemie konnten wir kurzfristig den Präsenzunterricht auf ein Minimum reduzieren und auf Onlineunterricht umstellen. Gleichzeitig wurden Dozent:innen für diese Unterrichtsform qualifiziert und Schulungsmethoden und -unterlagen den neuen Gegebenheiten angepasst.

 

Durch das konstruktive Feedback unserer Teilnehmer:innen und Dozent:innen sehen wir uns in unserer Auffassung bestätigt, dass reiner Onlineunterricht für die Vermittlung komplexer Schulungsthemen jedoch nicht das ideale Lernformat ist, sondern dass die hybride Ausbildung, die Präsenzschulungen, Praxis- und Simulationstraining, Onlineunterricht und E-Learning vereint, das künftige Lernformat sein wird.

 

Red.: Was verstehen Sie unter „hybrider Ausbildung“ in Bezug auf die ETCS-Ausbildung?

 

VDEF: In Kooperation mit unserer Tochtergesellschaft innoflex GmbH haben wir ein Seminar „ETCS“ entwickelt, das ein vorgeschaltetes webbasiertes Training und den anschließenden konventionellen Präsenzunterricht mit Simulationstraining beinhaltet.

Die Vorteile liegen auf der Hand: die Teilnehmer:innen haben für die Vermittlung der theoretischen Grundkenntnisse eine längere Vorbereitungszeit zur Verfügung, wodurch die Präsenzzeit auf eine Woche reduziert werden konnte und im Simulationstraining nur noch komplexe Situationen vertieft werden müssen.

 

Red.: Wäre da nicht der vollständige Verzicht auf Präsenzunterricht möglich?

 

VDEF: Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass die Teilnehmer:innen den persönlichen fachbezogenen Austausch benötigen, weshalb Präsenztage zur Übung und Vertiefung bereits vermittelter Themen – auch unter dem Sicherheitsaspekt – unerlässlich sind. Im reinen Onlineunterricht, der ein hohes Maß an Disziplin und Selbstmotivation erfordert, kann die Qualitäts- und Erfolgskontrolle nicht in vollem Umfang gewährleistet werden. Wir werden die Durchführung unserer bahnspezifischen Seminare immer so gestalten, dass die Sicherheit im Bahnbetrieb stets im Fokus bleibt.

 

Red.: Meinen Sie, dass webbasiertes Training nicht für jeden Teilnehmer geeignet ist?

 

VDEF: Wir sehen die digitalen Möglichkeiten durchaus als eine große Chance für die individuelle Lernförderung und zur Vertiefung oder Auffrischung erworbener Kenntnisse. Für eine komplett digital ausgerichtete Ausbildung sind jedoch immer auch die individuellen Voraussetzungen und Möglichkeiten der beteiligten Menschen in die Entscheidung einzubeziehen.

Derzeit sehen wir uns deshalb eher in der Pflicht, die Teilnehmer:innen in die Lage zu versetzen, die neuen Lernmedien zielorientiert und erfolgreich für sich zu nutzen.

Erfolgreiche Ausbildung wird sicher noch lange eine ausgewogene und sinnvolle Mischform des Unterrichtes sein.